Architektur des Stadtbilds
Kern Erfurts ist die Altstadt, die sich in zwei Teile einteilen lässt: die innere Altstadt innerhalb der ersten Stadtbefestigung aus dem 10. Jahrhundert und die äußere Altstadt innerhalb der zweiten Stadtbefestigung aus dem 14. Jahrhundert. Beide Mauerringe lassen sich heute noch gut nachvollziehen; der innere wird vom Juri-Gagarin-Ring und der äußere vom Stadtring nachvollzogen. Dabei zeigt die innere Altstadt heute noch größtenteils ein mittelalterliches Bild, das von den über 20 gotischen Pfarrkirchen und den sie umgebenden Fachwerk-, Bürger- und Handelshäusern geprägt wird. Sie stammen größtenteils aus der Zeit des 16., 17. und 18. Jahrhunderts (Renaissance/Barock). Punktuell wurden in der inneren Altstadt auch in späterer Zeit neue Gebäude errichtet, was sich aber im Wesentlichen auf die Hauptgeschäftsstraßen beschränkte. Die äußere Altstadt zeigt hingegen schon ein durchmischteres architektonisches Bild. Neben kleinen frühneuzeitlichen Gebäuden (z. B. im Brühl) finden sich hier auch große Bauten aus der Gründerzeit (z. B. im Bahnhofsviertel) und nachfolgenden Epochen (vor allem entlang des Juri-Gagarin-Rings).
Erst 1873 verlor Erfurt seinen Status als Festungsstadt. Die Stadtbefestigungen wurden abgetragen und die Flächen außerhalb zur Bebauung freigegeben. Dadurch konnte sich die Stadt schnell, aber auch sehr regelmäßig entwickeln. Um die Altstadt entstand in den folgenden 60 Jahren ein Gürtel aus Wohnvierteln (die Erfurter Vorstädte). Die ältesten Gebäude dieser Phase befinden sich an der Magdeburger Allee, und die jüngsten sind die Wohnblocks der Neuen Sachlichkeit aus der Zeit um 1930 in der Krämpfervorstadt. Dieser Gürtel musste weder unter Kriegsschäden noch unter späteren Umbaumaßnahmen leiden, so dass er heute noch vollständig erhalten ist; einzig einige Industriebauwerke wurden nach der Wiedervereinigung abgerissen. Dennoch gibt es im Erscheinungsbild der Viertel große Unterschiede: So dominieren im Südwesten der Stadt reich verzierte, einzeln stehende Villen, während im Nordosten eher monotone Arbeiterviertel mit der typischen fünfgeschossigen Block-Bauweise vorherrschen. Im Gegensatz zu vielen anderen Städten Mitteldeutschlands sind diese Häuser unverputzt und ohne Fassadenschmuck, typischerweise aus rotem Ziegel (hergestellt in den Ziegeleien am Roten Berg im Norden der Stadt). Der Sanierungsstand hier ist relativ hoch, der Brachflächenanteil eher gering.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die weitere Entwicklung der Stadt durch die staatlichen Wohnungsbauprogramme in der DDR bestimmt. Dabei entstanden die beiden Großsiedlungen Erfurt-Nord und Erfurt-Südost mit Hochhäusern in Plattenbauweise. Nach der Wiedervereinigung schrumpfte die Einwohnerzahl der Stadt durch Wegzüge und Suburbanisierung. Suburbanisierungsgebiete waren vor allem der Ringelberg im Osten, Marbach im Westen und andere Dörfer in der Umgebung Erfurts. In der Stadt dominierte der Bau von Geschäfts- und Verwaltungsbauten, um die Aufgaben der neuen Funktion als Landeshauptstadt zu erfüllen. Zudem wurde eine weitgehende Sanierung des Altbaubestands in der Altstadt und den Vorstädten erreicht. In jüngster Zeit entstanden auch vermehrt neue Wohnhäuser auf Baulücken in der Altstadt.
Bedeutendstes romanisches Bauwerk der Stadt ist die Peterskirche. Aus der Zeit der Gotik stammen der Erfurter Dom sowie die Kloster- und Pfarrkirchen der Altstadt, etwa die Predigerkirche oder die Kaufmannskirche. Auch Profanbauten wie der Kornhofspeicher entstanden zu dieser Zeit. Die Renaissance ist in Erfurt durch den Bau repräsentativer Bürgerhäuser geprägt. Beispiele dafür sind das Haus zum Roten Ochsen am Fischmarkt oder das Haus zum Stockfisch in der Johannesstraße. Die Kurmainzische Statthalterei (heute Sitz der Staatskanzlei) entstand als Verwaltungsbau in zwei Phasen. Sie hat einen Renaissance- und einen Barock-Teil. Ein weiteres bedeutendes Barockbauwerk in der Stadt ist die Waage. Auch die große Zitadelle Petersberg entstand zur Zeit des Barock. Die folgende Epoche des Klassizismus war in Erfurt nicht besonders prägend, Gebäude dieser Zeit sind der Kaisersaal, die Kleine Synagoge oder auch der Alte Hauptbahnhof. Im Historismus entstanden neben zahlreichen Wohngebäuden auch das Rathaus, das Gericht und die Thomaskirche. Zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg entstanden beispielsweise die Lutherkirche (Art Deco), die Thüringenhalle, das Jacobsenviertel oder der Landtag. Aus dem Jahr 1960 stammt die Gesamtanlage des egaparks und aus der Nachwendezeit die Messe, das Neue Theater oder auch die Gunda-Niemann-Stirnemann-Halle.
Kirchen und Klöster
Wegen seiner zahlreichen Kirchen und Klöster erhielt Erfurt im Mittelalter den Beinamen „Thüringisches Rom“. Heute gibt es in der Altstadt 22 Kirchen und fünf freistehende Kirchtürme ehemaliger Kirchen. Außerdem gibt es in den anderen Stadtteilen acht und in den eingemeindeten Dörfern 42 weitere Kirchen, womit Erfurt heute über 77 historische Kirchengebäude verfügt. Früher gab es in der Altstadt bis zu 38 Kirchen (inklusive der Klosterkirchen der 14 Erfurter Klöster).
Das Wahrzeichen der Stadt ist das einzigartige Ensemble von Dom und Severikirche auf dem Domplatz. Die Kirchen sind auf dem Domberg beheimatet und über die 70 Domstufen zu erreichen. Die größte Glocke des Domes, die Gloriosa, ist die größte freischwingende mittelalterliche Glocke der Welt. Die 1497 gegossene Glocke ist 2,57 Meter hoch, misst 2,54 Meter im Durchmesser und wiegt 11.450 Kilogramm. Sie wird heute noch zu besonderen Ereignissen und kirchlichen Feiertagen geläutet.
Die Barfüßerkirche wurde 1231 errichtet und gehörte einst zum Kloster der Franziskaner. Bei einem Bombenangriff im Jahr 1944 wurde die Kirche weitgehend zerstört. In ihrer Ruine finden jährlich im Sommer Theatervorstellungen unter freiem Himmel statt. Derzeit wird ein Umbau geplant. Die Kosten sollen sich auf zwei Millionen Euro belaufen. Dabei ist nicht an eine Restaurierung gedacht, wie bei der Frauenkirche in Dresden, sondern an einen Überbau, um die verbliebene historische Substanz als Kulturerbe zu erhalten.
Die am Wenigemarkt beheimatete Ägidienkirche wurde 1110 erstmals erwähnt. Sie war eine der zwei Brückenkopfkirchen der Krämerbrücke, ist aber heute als einzige erhalten. Der Zugang zur Krämerbrücke verläuft durch ein begehbares Tor in der Kirche. Ihr Turm kann bestiegen werden und bietet eine einzigartige Aussicht über die gesamte Erfurter Altstadt.
Die zwischen 1270 und 1450 erbaute Predigerkirche mit dem zugehörigen Predigerkloster ist eine dreischiffige kreuzrippengewölbte Basilika und eines der bedeutendsten Bauwerke der Bettelorden-Architektur in Deutschland. Dendrologische Untersuchungen ergaben, dass der ausschließlich aus Holz bestehende Dachstuhl von Thüringer Fichten stammt, die zwischen 1279 und 1285 geschlagen wurden. Damit besitzt das Predigerkloster den ältesten Dachstuhl im deutschsprachigen Raum.
Der mit 60 Metern höchste Turm der Altstadt ist jener der Nikolaikirche in der Augustinerstraße. Weitere bekannte Kirchen sind die Peterskirche auf dem Petersberg, die Kaufmannskirche, die Lorenzkirche und die Schottenkirche.
Das 1277 erbaute Augustinerkloster ist vor allem als bedeutende Lutherstätte bekannt. Nach Beendigung seines Studiums in Erfurt schloss sich Martin Luther den Augustiner-Eremiten an. Hier lebte er von 1505 bis 1511 und wurde 1507 im Dom zum Priester geweiht. Heute wird das Augustinerkloster als internationale Begegnungsstätte genutzt. In den Sommermonaten finden im Renaissancehof des Klosters Konzerte und Theateraufführungen statt.
Profane Bauwerke
Erfurt besitzt einen der am besten erhaltenen und größten mittelalterlichen Stadtkerne Deutschlands. Ein bemerkenswertes Bauwerk ist die Krämerbrücke, die 1117 erstmals erwähnt und 1325 nach mehreren Bränden aus Stein gebaut wurde. Das 120 m lange Bauwerk überspannt die Gera und ist mit 32 Häusern bebaut. Damit ist die Krämerbrücke die längste komplett bebaute und bewohnte Brücke Europas. Einst befanden sich an beiden Zugängen Brückenkopfkirchen, heute ist nur noch die Ägidienkirche am Zugang Wenigemarkt erhalten.
Neben der Krämerbrücke waren im Mittelalter die Lehmannsbrücke, erstmalig 1108 erwähnt und 1976 durch ein Spannbetonbauwerk ersetzt, die Schlösserbrücke und die Lange Brücke wichtige Brücken über die Gera. Zu den ältesten erhaltenen Natursteinbrücken der Stadt zählt außerdem die Roßbrücke aus dem Jahr 1750.
Direkt neben dem Domplatz ragt der Petersberg empor, auf dem zwischen 1665 und 1707 die Zitadelle Petersberg errichtet wurde. Heute ist die Zitadelle die einzige weitgehend erhaltene barocke Stadtfestung Europas.
Auf dem Gelände des egaparks befindet sich die 1480 errichtete und im 17. Jahrhundert zur Zitadelle ausgebaute Cyriaksburg. Sie beherbergt heute das Deutsche Gartenbaumuseum und eine Aussichtsplattform auf einem der beiden Festungstürme.
Auf dem Fischmarkt, gelegen zwischen Anger und Domplatz, befindet sich das Erfurter Rathaus. Der neogotische Bau wurde 1870 bis 1874 errichtet und in den 1930 Jahren erweitert. Er enthält im Treppenaufgang zahlreiche Wandgemälde mit Szenen der Erfurter und Thüringer Geschichte. Gegenüber dem Rathaus befindet sich die 1561 errichtete Statue eines römischen Kriegers, der den Stadtpatron Martin von Tours darstellen soll. Am Fischmarkt befinden sich noch weitere sehenswerte Gebäude, so das 1562 erbaute Haus zum Roten Ochsen, das heute eine Kunstgalerie beheimatet. Links vom Rathaus steht das Haus zum Breiten Herd mit seiner reich verzierten Renaissance-Fassade. Rechts vom Rathaus findet sich das 1934/1935 im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtete Sparkassengebäude.
Weitere sehenswerte Bauwerke sind das Haus zum Güldenen Krönbacken, das Haus zum Sonneborn, das heute das Standesamt beherbergt, die Kurmainzische Statthalterei (heute Thüringer Staatskanzlei) und der Gebäudekomplex Engelsburg, Ursprung der Dunkelmännerbriefe. Das nahe Collegium Maius der alten Universität in der Michaelisstraße wurde bis 2011 rekonstruiert und dient nun als Verwaltungssitz der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.
Der Dachstuhl des Haus Dacheröden am Anger brannte am 24. August 2006 vollständig aus. Der Renaissance-Bau wurde danach für 1,5 Millionen Euro saniert. Das Haus war im 18. und 19. Jahrhundert Treffpunkt für Gelehrte, Schriftsteller und Künstler. Goethe, Schiller, Dalberg und Wilhelm von Humboldt waren oft Gäste dieses Hauses. 1833 vereinigte der erfolgreiche Erfurter Unternehmer Sebastian Lucius die beiden Vorgängerbauten zum jetzigen „Haus Dacheröden“ und richtete dort sein Textilunternehmen ein. Am Anger 25 befindet sich ein Sparkassengebäude von 1930 im Stil der Neuen Sachlichkeit.
Das klassizistische Kultur- und Kongresszentrum Kaisersaal gehört als Stätte von Napoleons Erfurter Fürstenkongress 1808 und des Erfurter Parteitages der SPD 1891 mit zu den historisch bedeutsamsten Gebäuden.
Im 1904 erbauten ehemaligen Hotel Erfurter Hof fand 1970 das erste deutsch-deutsche Gipfeltreffen zwischen Bundeskanzler Willy Brandt und Ministerratsvorsitzendem Willi Stoph statt. Das „Willy-Brandt-Zimmer“ erinnert an die spektakulären Ovationen der Erfurter für Brandt.